I

Die drei klassischen Therapieformen und was die Neuropsychologie leisten kann!

Klassische Therapieformen
Die Therapieformen für Menschen mit schweren Hirnschädigungen und im Wachkoma sind vielfältig. Man kann zwischen "klassischen" oder schulmedizinischen Therapieformen, dazu gehören Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie und ergänzenden Therapieformen, wie Musiktherapie, Wassertherapie oder Tiergestützte Therapie und weiteren unterscheiden.

Erstere sind als Heilmittel anerkannt und werden von den gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen vorgegebener Kostengrenzen finanziert. Letztere müssen meist außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden. Das bedeutet keineswegs, dass sie unwichtig oder unwirksam wären. Im Gegenteil, gute Rehabilitationskliniken nehmen solche ergänzenden Therapieformen in ihr Angebot auf. Das gemeinsame Ziel aller Therapieformen besteht darin, einen größtmöglichen Grad der Selbständigkeit für den Betroffenen zu erreichen.

Die großen Drei
Die drei genannten klassischen Therapieformen bilden das Rückgrat einer therapeutischen Versorgung.  

Was leistet Physiotherapie?
Physiotherapeuten helfen und begleiten auf dem langen Weg in Richtung auf eine relative, individuelle Selbständigkeit.

Der Therapeut/ die Therapeutin muss herausfinden:

  • Reagiert unser Patient mehr auf taktile (tasten) Reize, oder mehr auf auditive (hören) Reize, oder mehr auf visuelle (sehen) Reize?
  • Mit welcher Kombination der Reize kommen wir weiter? Das heißt, wie müssen wir den Patienten anfassen (fest oder sanft), ansprechen (laut oder leise) und wie viel und was soll er sehen?

Auf dieser Basis werden dann unterschiedliche Methoden der Physiotherapie eingesetzt.
Aus dem Bereich der speziellen Techniken sind folgende zu nennen:

  • das Bobath-Konzept
  • Weichteildiagnostik und -behandlung nach Cyriax
  • Orthopädische Manuelle Therapie
  • Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation
  • Vojta-Therapie
  • Schlingentisch
  • Craniosacrale Therapie
  • Funktionelle Bewegungslehre nach Klein-Vogelbach

Zu dem Bereich der Massage- und Reflexzonentherapien zählen unter anderem:

  • Klassische Massage
  • Lymphdrainage
  • Unterwassermassage
  • Kolonbehandlung
  • Bindegewebsmassage
  • Reflexzonentherapie am Fuß

Dazu kommt noch die:

  • Thermotherapie

Ziel der Physiotherapie ist die Verbesserung bzw. Erarbeitung einer physiologischen Tonusanpassung (Muskelspannung):

  • Gelenkbeweglichkeit
  • Kopfkontrolle
  • Rumpfkontrolle / Sitzhaltung

Dazu kommen weiterhin die Verbesserung und Erarbeitung der Willkürmotorik eines eventuell anfallenden Transfers, (z.B. Wechsel zwischen Bett und Rollstuhl).

Was kann Logopädie?
Der Kernbereich der logopädischen Therapie ist die Diagnostik und Therapie von Störungen der Stimme, der Sprache, des Sprechens und des Schluckens.

Bei Patienten mit neurologischen Störungen, wie Wachkoma und Schädel-Hirn-Trauma muss der Therapeut gemeinsam mit dem Patienten zunächst die Voraussetzung für verbale (gesprochene) Kommunikation vollständig erarbeiten. Die therapeutischen Aufgaben der Logopädie liegen bei diesen Patienten in der Normalisierung der Atmung als Voraussetzung der Rückkehr zu einer normalen Atem-Sprech-Koordination. Dazu gehört auch der Schutz der unteren Atemwege durch sichere Verschlussmechanismen des Kehlkopfes und funktionierende Schutzreflexe. Dies ist wiederum eng verbunden mit der Wiedererlangung der Fähigkeit des Patienten zur oralen (durch den Mund) Nahrungsaufnahme auf der Grundlage eines effizienten Schluckablaufs.

Die wichtigsten Therapiemethoden, die bei den zuletzt genannten Aufgabengebieten der Logopädie zum Einsatz kommen, sind die Therapie des Facio-Oralen Traktes (F.O.T.T.) sowie die Funktionelle Dysphagietherapie.

Die F.O.T.T. ist ein auf dem Bobath - Konzept beruhendes Therapieverfahren, das nicht einzelne körperliche oder geistige Defizite des Patienten in den Mittelpunkt stellt, sondern den ganzen Menschen. Es handelt sich folglich um ein interdisziplinäres Konzept mit den Schwerpunkten Atmen, Schlucken, Essen und Trinken, verbale und nonverbale Kommunikation, das zu einer erfolgreichen Umsetzung das Zusammenwirken aller therapeutischen Bereiche mit Ärzten und der Pflege erfordert.

Was leistet Ergotherapie?
„Ergotherapie begleitet, unterstützt und befähigt Menschen jeden Alters, die in ihren alltäglichen Fähigkeiten eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind, für sie bedeutungsvolle Betätigungen in den Bereichen Selbstversorgung und Produktivität, sowie der Freizeit, in ihrer Umwelt durchführen zu können. Ziel ist es, durch den gezielten Einsatz von Aktivitäten, Betätigung und Umweltanpassung dem Menschen größtmöglichste Handlungsfähigkeiten im Alltag, Lebensqualität und gesellschaftliche Partizipation zu ermöglichen.“ (Fachverband, www.ergotherapie-dve.de, 2005)  

Im Bereich der Neurologie und mit Menschen im Wachkoma ist vorrangiges Ziel die Vigilanzsteigerung (Wachheit). Des Weiteren gilt es, die physischen, psychischen und kognitiven Fähigkeiten zu verbessern. Speziell erarbeiten Ergotherapeuten die Beweglichkeit der oberen Extremitäten (Arme, Hände, Feinmotorik in den Fingern).

Um dieses Ziel zu erreichen, werden in der Ergotherapie verschiedene Maßnahmen und Therapeutische Konzepte eingesetzt:

Basale Stimulation (von basal= grundlegend, voraussetzungslos und lat. stimulatio=Anregung)(Konzept: Prof. Dr. A. Fröhlich; in späterer Kooperation mit Frau Prof. Dr. h.c. Ch. Bienstein weiterentwickelt)

Therapeutisches Konzept: Ziel ist die Förderung zur Wahrnehmung, Bewegung und Kommunikation durch gezielte Stimulation. Die Förderung der Wahrnehmung wird auf grundlegendster Ebene unterstützt, durch einfachste und elementare Wahrnehmungsangebote. Allen Sinnen sollen Anregungen gegeben werden, dort wo der Mensch aufgrund seiner krankheitsbedingten Einschränkung nicht in der Lage ist, selbst für eine angemessene Anregung zu sorgen. Basale Stimulation orientiert sich an der biografischen Anamnese, d.h. was hat der Betroffene gerne gegessen, gehört, gesehen. Welche Tätigkeiten machte er und welche Hobbies hatte er, gibt es den Bezug zu einem Haustier?

Eine frühe Förderung und Stimulation ist bei allen Patienten von großer Bedeutung. Je genauer das Wissen und Fühlen um / über etwas Verloren gegangenes noch vorhanden ist, desto günstiger ist die Möglichkeit Wahrnehmung zu fördern und zurückgewinnen zu können.

Basale Stimulation kann gut und frühzeitig auch von Angehörigen / Freunden übernommen werden. Es können verschiedene Angebote gemacht werden und die Reaktionen des Betroffenen darauf werden beobachtet. Lassen Sie sich von den Therapeuten und dem Pflegepersonal anleiten.

Fragen Sie nach Schulungsmöglichkeiten z. B. bei Angehörigenseminaren und nach ausführlichen Fachinformationen.

Führende Bewegungen nach Affolter
u.a. Verbesserung der Wahrnehmung zwischen Körper und Umwelt  

LiN – Lagerung
Lagerung in Normalposition
 = spezielle Lagerung auf neurophysiologischer Basis zur Vermeidung, bzw. Reduzierung von Spastiken.  

Übungen / Training der Grob- und Feinmotorik
u.a. zur Verbesserung der Greiffunktionen, zur Erweiterung des Bewegungsausmaßes  

FOTT (Therapie des fazio-oralen Traktes)
u.a. mundmotorische und taktile Stimulation, Mundhygiene, insbesondere in Zusammenarbeit mit Logopädie und Pflege  

Hilfsmittelversorgung
z.B. Griffverdickungen, Tellerranderhöhungen  

Interaktive Gruppen
z.B. Koch- und Frühstücksgruppen  

Assistiertes Essen
Speziell auf den jeweiligen Patienten abgestimmte Hilfestellung während des Essens (in enger Zusammenarbeit mit Physiotherapie, Logopädie und Pflege  

Kinästhetik
Bezeichnet die Lehre der Bewegungsempfindung. Dieses Konzept hilft, sich selbst in seiner Bewegung besser wahrzunehmen und bei der Wiedererlernung normaler Bewegungsabläufe.

Im Zusammenhang mit den drei großen Therapieformen sei hier auch noch die Möglichkeit der Musiktherapie und der tiergestützten Therapie genannt. Hier sind die Kostenübernahmen allerdings in der Regel keine Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen.

Was kann Neuropsychologie unterstützend leisten?
In der Rehabilitationsklinik werden der Patient und in der Regel auch die Angehörigen neuropsychologisch betreut und begleitet. Nach der Entlassung aus der stationären Reha haben gesetzlich versicherte Personen nach einem schweren Schädel-Hirntrauma einen Anspruch auf ambulante neuropsychologische Therapie.

Indikationen hier sind: Die Schädel-Hirnverletzung darf nicht länger als 5 Jahre zurückliegen und der Betroffene sollte nicht mehr im Wachkoma sein. Indikationen für eine weitergehende neuropsychologische Betreuung sind z.B. anhaltende Angstzustände, Wesensveränderungen, fehlendes Kurzzeitgedächtnis, Rechen- und Leseschwäche, Sehstörungen, ….

Neuropsychologische Verhaltenstherapie, Aufmerksamkeitstraining, Augenschulung, Training der Alltagskompetenzen und weitere Therapieformen können dem Betroffenen helfen sich im normalen Alltag wieder zurechtzufinden. Neuropsychologen leisten auch eine wesentliche Unterstützung bei der Wiedereingliederung in das Berufsleben.  

Mehr dazu finden Sie auch unter: www.gnp.de
(Gesellschaft für Neuropsychologie)

 
 
 
E-Mail
Anruf
Karte